„Wer wagt, durch das Reich der Träume zu schreiten, gelangt zur Wahrheit.“(E.T.A. Hoffmann)
Unerhört leicht und kompakt zugleich scheinen sie. Einerseits wollen ihre vegetabilen Körper schwerelos schweben. Andererseits mit feinen Gliedern das Erdreich ertasten. Jene ungewöhnlichen, im wahrsten Wortsinn „fantastischen“ Skulpturenwesen, die „Homo Solaris“ des Südtiroler Künstlers Friedrich S. Feichter.
In der zeitgenössischen Kunstszene sind diese längst ein etablierter Begriff und vieler Orts bestaunt: Ob erstmals auf den Gipfeln, dem Passo Valparola in den Dolomiten, im Art-Center Berlin oder im Barocksaal des Schlosses Mochental, einem Zentrum für moderne Kunst… Feichters „Sonnenmenschen“, seine überlegensgroßen Skulpturen aus Lindenholz, bemalt mit Acrylfarbe oder mit silbrigen Eisenblättchen überzogen, machen Eindruck. Auf Kunstmessen und in Galerien im In- und Ausland. Erzählen sie doch von anderen Zustandsformen. Von harmonischem Gleichklang. Und nicht zuletzt von visionärer Arbeit mit Holz, von visionärer Skulptur.
Das Körpervolumen dieser „Homo Solaris“, meist organisch-kapselartig und aufgeblasen oder sichelförmig und prall, auch schildartig konkav und nach innen gewölbt, will sich den Gesetzen der Schwerkraft entziehen. Will sich von der Materie lösen. Nur die elegant gelängten Rüssel-Beine halten den Kontakt zum Boden. Zierlich und schlangenartig dünn. Fragil sogar. In faszinierendem Kontrast zur Körpermasse.
Dabei will Feichter seine Kunst als Mittler einer Formsprache verstanden wissen. Eine Formensprache der wahrnehmbaren und vorstellbaren Natur, die er als essentielle Kommunikationsmethode per se erachtet. Wir, die Betrachter, müssen nur richtig erkennen und schauen – und uns begeistern, für so etwas wie „die perfekte Form“. In ihrer zeitlosen Erhabenheit. Erfüllt von Licht. Von Geistigem. Vielleicht auch jenseits unserer Imaginationsfähigkeit.
Feichters Baumskulpturen in Hochfrangart, vor allem aber seine „Augen- und Cocoon-Wesen“ führen diesen Gedanken fort und machen ihn auf andere Art transparent. Es geht um die neugierig losgelöste Wahrnehmung von Außenwelt und die eingekapselte Deutlichkeit einer inneren Form.
Immer wieder steht der von Materie losgelöste Zustand im künstlerischen Brennpunkt, den die bizarr lunaren „Mondwesen“ beispielsweise, mit ihrem körperhaften Ausdruck unverhohlen fleischlicher Begierde, nicht erreicht hatten. Wo hier in bedrohlichem Rot kopflose Schlangenfrauen und immense Venusfallen den Betrachter lockten, versucht Feichters aktuelle Kunst neues Daseins-Terrain zu beschreiten. So bewegen sich seine drei Meter langen „Zeitreisenden“, Urzeitwesen nicht unähnlich, mit Bewusstsein, Eleganz und Rasanz entlang einer imaginären Zeitlinie.
Feichters technisch perfekt gestaltete Arbeiten machen uns staunen. Nicht nur, wie es dem Künstler gelingt, innerhalb seiner Skulpturen vermeintlich die Schwerkraft zu überlisten. Als Kunstinteressierte geht es uns mit dem Oeuvre Feichters ein wenig wie mit dem Roman „Solaris“ von Stanislaw Lem, dem großen polnischen Philosophen und Science-Fiction-Autor. Auf unserer Suche nach dem Außergewöhnlichem stoßen wir bei der Kunst von Friedrich S. Feichter auf einen Planeten, der eigenen physikalischen, methodischen und inhaltlichen Gesetzen gehorcht. Unser Blick muss sich einstellen auf neue Intensität. Muss seine Schärfe auf Perfektion und geistige Horizonte richten.
Friedrich S. Feichter, der einstige „Holzschnitzer“; der Naturbursche aus dem Ahrntal, hütete als Kind Kühe. Er hat sich diese Sommer, mit ihrer Einsamkeit und den vielen Naturwundern zu Verbündeten gemacht. Hatte diesen Traum von Energie und strahlenden Wesenheiten, frei von jeglicher Erdbindung. Künstlerische Visionen eines neune Seins? Blicke in eine mögliche Zukunft auf dem Feld der modernen Kunst? Zweifelsfrei: Er gehört zu jenen, die es gewagt haben zu träumen.
Dr. Melanie Klier
Friedrich Sebastian Feichter wurde 1962 in Luttach geboren, besuchte die Schnitzschule in St. Jakob, studierte an der Höheren Technischen Lehranstalt in Graz Bildhauerei. Er lebt und arbeitet als freischaffender Bildhauer in Luttach.